Aktuelle Gipsabbauprobleme im Landkreis Nordhausen


Abgeschickt von Friedhart Knolle am 19 April, 2007 um 22:47:35

 Aus der Neuen Nordhäuser Zeitung:

nnz-doku: Enttäuscht und entsetzt

Donnerstag, 19. April 2007, 11.01 Uhr

Nordhausen (nnz). Ein Unternehmen aus Walkenried kann mit Genehmigung des Landesbergamtes nun doch Gips bei Woffleben abbauen. Das entsetzt vor allem den Arbeitskreis „Gipskarst Südharz“. Deren Mitglieder haben seit Ende März 2007 zwei Briefe an Dieter Althaus, den Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen geschrieben. Die nnz veröffentlicht beide Briefe in Ihrer doku-Reihe.
 

Offener Brief
Situation im Südharzer Gipskarst

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Althaus,

wir wenden uns heute auf diesem Weg an Sie, weil wir von den Landesbediensteten, in diesem Fall des Landesbergamtes Gera und des Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, zutiefst enttäuscht sind.

Wir erlangten Kenntnis darüber, dass der Hauptbetriebsplan der BPB Formula GmbH Walkenried für den Gipstagebau „Woffleben/ Himmelsberg - Mittelfeld“ genehmigt worden ist. Dieser Hauptbetriebsplan enthält keinerlei Verpflichtung zur Sicherung des „Pilotprojektes Rüsselsee“, das zwischen der Gemeinde Niedersachswerfen und der Südharzer Gipswerk GmbH Ellrich (Heidelberg-Zement) vereinbart worden ist. Im Gegenteil, er sieht sogar den gesamten Abtransport des Gipsgesteins über das Abbaufeld „Rüsselsee“ vor. Ein solcher Transportweg zugunsten der BPB Formula GmbH ist aber im Hauptbetriebsplan „Rüsselsee“ der Südharzer Gipswerk GmbH nicht vorgesehen.

Darüber hinaus ignoriert der Hauptbetriebsplan für den Gipstagebau „Woffleben/ Himmelsberg - Mittelfeld“ der Fa. BPB Formula GmbH gänzlich den rechtskräftigen Flächennutzungsplan und den rechtskräftigen B-Plan Nr. 3 und damit die kommunale Planungshoheit der Gemeinde Niedersachswerfen. Eine auf uns frustrierend wirkende und enttäuschende Arbeitsweise des Landesbergamtes.

Die Gemeinde Niedersachswerfen hat deshalb Widerspruch gegen die Hauptbetriebspläne der Firmen BPB Formula GmbH und Südharzer Gipswerk GmbH eingelegt.

Darüber hinaus wurde durch die BPB Formula GmbH ein Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Änderung der Nutzungsart von Waldflächen, gem. § 10 Thüringer Waldgesetz, zur Vorbereitung des Gipsabbaus im Geltungsraum des Hauptbetriebsplanes „Woffleben/Himmelsberg – Mittelfeld“ gestellt. Nach unserer Kenntnis konnte mit der Unteren Naturschutzbehörde kein Einvernehmen in dieser Sache hergestellt werden. Die Stellungnahme der Oberen Naturschutzbehörde entzieht sich unserer Kenntnis. Mit Bescheid vom 16. Februar 2007 wurde die Nutzungsartenänderung und damit die Bewilligung zur Rodung von 1,2 ha Kalk-Buchenwald durch Mitarbeiter des Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt erteilt, obwohl gegen den Zulassungsbescheid des Landesbergamtes zu o. g. Abbauvorhaben Widerspruch eingelegt wurde. Auf die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen einen Verwaltungsakt soll hier nicht weiter eingegangen werden, jedoch sei die Anmerkung gestattet, dass der mit dem Widerspruch angefochtene Zulassungsbescheid somit noch keine Rechtswirksamkeit bzw. Rechtskraft erlangt hat. Die Nutzungsartenänderung der Waldfläche hätte nach unserer Rechtsauffassung nur nach Vorliegen eines bestandskräftigen Zulassungsbescheides des Hauptbetriebs-planes erteilt werden dürfen. Auch hier kann die Arbeitsweise der tätig gewordenen Landesbediensteten nicht befriedigen.

Im Übrigen sollte Grundlage für die Bewilligung eines Abbaus auch der Nachweis eines entsprechenden Bedarfs sein. Darauf haben wir das Landesbergamt in unseren Stellungnahmen immer wieder hingewiesen. Allein die Tatsache, dass sich die Auftragslage im Bauwesen verschlechterte, lässt auf einen rückläufigen Bedarf schließen. Außerdem wird der mögliche Einsatz von REA-Gips von den Unternehmen ignoriert. Ebenso kann der Argumentation der einzelnen Unternehmen zur Rohstoffbereitstellung nicht gefolgt werden, da nicht jeder Firma eigene Tagebaue zur Verfügung gestellt werden müssen - auf Kosten des Landschaftserhaltes und der Lebensqualität der in dieser Region lebenden Menschen.

Die Waldfläche ist inzwischen gerodet. Somit hat man Tatsachen geschaffen, unterstützt von Mitarbeitern eines Ministeriums des Freistaates Thüringen. Unser Vertrauen, zu den in dieser Angelegenheit tätig gewordenen Behörden, ist gebrochen. Soweit der Sachverhalt .

Als Sie sich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, im Jahre 2004 mit Ihrem Amtskollegen aus Niedersachsen trafen, waren Sie auch Teilnehmer einer Tourismus- Konferenz. Sie hatten sich vorher davon überzeugt, dass die Region neben Sand-, Kies- und Grauwackegewinnung vor allem durch überdurchschnittlich viele Gipssteinbrüche arg gebeutelt ist. Sie haben damals mehrfach erklärt: „dass es mit Ihnen keinen neuen Tagebau im Südharz geben würde“.

Jetzt haben wir einen Hauptbetriebsplan für den Himmelsberg vorliegen und die Gipsindustrie ist darüber hinaus zielstrebig bemüht, am Kuhberg, am Winkelberg und im Gebiet Günsdorf in der Rüdigsdorfer Schweiz weitere Aufbrüche zu erschließen.

Können sich Landesbedienstete in Thüringen so einfach über ein öffentliches Versprechen ihres Ministerpräsidenten hinwegsetzen?

Wir sind völlig Ihrer Meinung, die Sie im Geleitwort zum Jahr der Naturparke 2006 niedergeschrieben haben, und zwar „dass man auf vernünftige, Ressourcen sparende Weise Ökonomie und Ökologie so miteinander verbindet , dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die künftigen Generationen zu gefährden… Wer die Natur erhält, der trägt auch dazu bei den Tourismus als bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu stärken.“

Der Tourismus entwickelt sich in unserer Region immer mehr von einem Pflänzchen zu einer Pflanze. Der Tourismus beschäftigt hier wesentlich mehr Arbeitskräfte als die Gipsindustrie, mit steigender Tendenz.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident – die Region erwartet, dass das von Ihnen gegebene Versprechen auch bindend für das Landesbergamt in Gera und das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt ist und dass das Pilotprojekt Rüsselsee Initialzündung für weitere Projekte zwischen Kommunen und Industrie werden kann. Tragen Sie bitte Sorge dafür, dass das Vertrauen der im Südharz lebenden Menschen in die Landesbehörden wieder hergestellt wird.

Für eine baldige Antwort möchten wir uns bereits jetzt bedanken.

Freundliche Grüße

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2. Offener Brief – Situation im Südharzer Gipskarst/ Fortschreibung der Raumplanung

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Althaus,

am 27.03. 2007 haben wir Sie in einem offenen Brief auf den geplanten Gipssteinbruch am Himmelsberg bei Woffleben, im Kreis Nordhausen, aufmerksam gemacht.

Gegenwärtig erfolgt die Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsplanes Nordthüringen (RROP-NT). In den letzten Jahren wurden von den Kommunen im Südharz immer wieder die Festsetzungen raumordnerischer Ziele zum Erhalt der Karstlandschaft gefordert. Dieses betraf insbesondere die im RROP-NT enthaltenen sog. „weißen Flächen“.

Nunmehr erlangten wir Kenntnis davon, dass der Wirtschaftsminister des Landes Thüringen, Herr Reinholz, mit seinem Ministerkollegen Dr. Sklenar und der Südharzer Gipswerk Ellrich GmbH (SHG) Einvernehmen darüber erzielt haben, die Erweiterungsfläche Rüsselsee–Ost (einen Steinwurf vom Himmelsberg entfernt) als Vorranggebiet für die Gipsgewinnung im, Regionalen Raumordnungsplan Nordthüringen auszuweisen. Die Fläche ist bisher als Vorranggebiet Natur und Landschaft ausgewiesen. In der Konsequenz bedeutet dieses, dass mit dem durch das Landesbergamt genehmigten Gipstagebau „Woffleben/Himmelsberg-Mittelfeld“ in unmittelbarer Nachbarschaft eine Erweiterung des bestehenden Tagebaus „Rüsselsee“ und damit eine Umwidmung von Waldflächen und letztlich Rohdung erfolgen soll.

Um dies zu erreichen wurden der Präsident der Regionalen Planungsgemeinschaft, Herr Peter Hengstermann, und der Landrat des Landkreises Nordhausen, Herr Joachim Claus, in getrennten Briefen am 17.01.2007 von Herrn Minister Reinholz angeschrieben, und gebeten, ihre Möglichkeiten zu nutzen, um diese, noch als Vorranggebiete für Natur und Landschaft im RROP-NT ausgewiesenen Flächen, als Vorranggebiet Rohstoffsicherung/ Rohstoffgewinnung für Gips/Anhydrit in den neuen Entwurf des Regionalplanes aufzunehmen.
Deutlicher kann eine Symbiose zwischen Landesregierung und Gipsindustrie nicht dokumentiert werden!
Bei allem Respekt für den Erhalt der Arbeitsplätze der Südharzer Gipswerk Ellrich GmbH stellt sich die Frage, ob jedem Gipsbetrieb seine eigenen Gipssteinbrüche gesichert werden müssen? Analogien zu anderen Wirtschaftsbereichen sind uns jedenfalls nicht bekannt. Keine Branche in unserer Region genießt soviel Sicherheit.

Vor unserer Haustür liegt der Kohnstein mit derzeitig 115 ha aufgebrochener Abbaufläche. Zur Sicherung der Arbeitsplätze der SHG könnten langfristige Verträge zwischen der Kohnstein Bergwerks GmbH und der SHG abgeschlossen werden. Aber das senkt natürlich die Profitrate. Die Millionen Tonnen Rea–Gips, die in der Lausitz auf Halde liegen und einen erheblichen Teil der Naturgipsvorkommen schonen würden, beachtet die Gipsindustrie neben einigen Versuchsreihen kaum, obwohl in zahlreichen Studien, auch im Auftrag der Gipsindustrie, nachgewiesen wurde, dass REA-Gips auf Grund seiner Eigenschaften den Naturgips nahe zu 100% ersetzen kann. Aber auch hier spielen die Erträge offensichtlich die entscheidende Rolle.

Muss nicht die Landesregierung, die Interessen aller Bürger des Freistaates Thüringen vertreten? Muss nicht auch dem Nachhaltigkeitsgedanken, der vom Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt gepriesen wird, durch entsprechende Entscheidungen Rechnung getragen werden, um den nachfolgenden Generationen sowohl Landschaftsräume als auch Rohstoffe zu sichern? Nachhaltige Produktionsweisen und fortschrittliche Technologien wurden mehrfach von uns eingefordert. Stattdessen jedoch werden einzelne privatwirtschaftliche Interessen protegiert, wie die beiden Briefe vom 17.01.2007 dokumentieren.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, der Landkreis Nordhausen hat für die Rohstoffe Gips, Kies, Sand und Grauwacke im Vergleich zu allen anderen Landkreisen überdurchschnittlich viel Flächen bereitgestellt. Die eigenen Interessen des Landkreises und seiner Bevölkerung, die bereits mit vielen Kompromissen im Regionalen Raumordnungsplan festgeschrieben wurden, sollten nunmehr bei der Fortschreibung des Regionalplanes Berücksichtigung und Sicherung finden. Denn nur so kann der Regionalplan seiner Zielsetzung: „… unter Berücksichtigung der veränderten demografischen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen eine nachhaltige Entwicklung für die Region einzuleiten und die durch historische und wirtschaftliche Entwicklung bedingten Strukturschwächen weiter abzubauen, um gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen“, gerecht werden.

Den Eingang unseres offenen Briefes vom 27. März 2007 hat uns die Staatskanzlei inzwischen bestätigt und uns mitgeteilt, dass vom Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt eine Stellungnahme abgefordert wurde.

Nach Vorlage der beiden o. g. Briefe, die wir Ihnen hiermit zukommen lassen, können wir Ihnen versichern dass eine ganze Region dringend Ihre Antwort erwartet.

Freundliche Grüße

Arbeitskreis
Gipskarst „Südharz“ (nnz)


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