Frauenbergkirche

In Vorbereitung der 2. Thüringer Landesgartenschau 2004 wurde das Areal um die Frauenbergkirche neu gestaltet. Das ermöglichte dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Einblicke in die Baugeschichte der ehemaligen Kirche zu erhalten. Dies war insofern von Bedeutung, da bei der Frauenbergkirche „ecclesia beate Marie virginis extra que dicitur Novum opus“ (Abb. 1) die Frage noch immer offen stand, ob es vor der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1220 bereits einen Vorgängerbau gab. So hielt E.G. Förstemann den westlichen Teil der Kirche für den Rest einer älteren Marienkirche, von der aber nicht die geringste Nachricht überliefert ist und die sich auch nirgends am Mauerwerk durch einen Ansatz abzeichnet. Bei den archäologischen Untersuchungen konnte die Fläche des ehemaligen Langhauses (Abb. 2) sowie das Gebiet um die Kirche untersucht werden. Die Ausgrabung unter Leitung von J. Wüstemann begann im April 2002.1

Bis 1945 war der Frauenberg mit all seinen Gassen und Treppen eng mit Fachwerkhäusern bebaut, die alle dem Bombardement von 1945 zum Opfer fielen (Abb. 3).


Abb. 1 Nordhausen, Frauenbergkirche vor der Zerstörung

Abb. 2 Nordhausen, Frauenbergkirche, Grabungsplan


Abb. 3 Nordhausen, Frauenberg mit Ruine der Frauenbergkirche

Unter einer ca. 0,50 m dicken Kies- und Schuttschicht wurden zuerst die Grundmauern von Gebäuden mit ihren Kellern freigelegt, die zum neuzeitlichen Hausbestand des 18./19. Jh. gehörten. Dazu zählten auch eine kleine Zisterne bzw. Abwassergrube sowie Keramikscherben des 16. und 17. Jahrhunderts. Im Bereich der Martinstreppe konnte Keramik aus dem 14. und 15. Jh. geborgen werden, die zur frühen Besiedlung in diesem Straßenbereich gehörte. Auf der Ausgrabungsfläche vor dem erhaltenen romanischen Westportal der Kirche wurden Gräber des Friedhofes und die Fundamente der Friedhofsmauer freigelegt. Unmittelbar dahinter standen bereits die Häuser der Frauenberger Stiege. Unter diesen Hausfundamenten wurde eine ca. 3 m große und 1,20 m tiefe Grube freigelegt, auf deren Sohle Holzkohle, Asche und eine Kalkschicht sowie Keramik des 12./13. Jh. lag. Es handelte sich hierbei um eine Kalkgrube, die möglicherweise mit dem Kirchenbau in Verbindung zu bringen ist. Nach den vorhandenen Überlieferungen wurde wahrscheinlich das Kloster Neuwerk bei Halle/Saale, Sachsen-Anhalt, vom Zisterzienser-Nonnenkloster Wöltingerode bei Goslar, Niedersachsen, gegründet. Am 27. Januar 1233 bestätigte Erzbischof Siegfried III. von Eppstein, dass der Pleban Volrad von Nohra auf die Einkünfte der Marienkirche Neuwerk verzichtet und dass dort ein Zisterzienser-Nonnenkloster gegründet werden soll (Kulhbrodt 2008, 2). Die Nonnen nutzten die vorhandene Kirche und erweiterten die Anlage im Laufe der Jahre. Im Bauernkrieg 1525 verließen die Nonnen das Kloster, kehrten aber 1527 wieder zurück. Die Umwandlung des Klosters in eine Mädchenschule erfolgte 1564. Nach der Auflösung der Schule wurden einige Gebäude als Wohnung vom Kirchner und Pfarrer genutzt bzw. dienten später älteren Bürgern als Wohnung. Geht man von der bekannten Überlieferung aus, so wird die Grundsteinlegung der Kirche vor 1200 erfolgt sein. Der Grundriss ist der einer Basilika mit Mittelschiff, zwei Seitenschiffen, einem Querhaus, Chorquadrat und Apsis. Um 1481 wurden die Seitenapsiden abgebaut und durch quadratische Anbauten ersetzt. Archäologisch untersucht wurden nur das Langhaus mit den beiden Seitenschiffen sowie der Bereich zwischen der südlichen Kirchenmauer und dem heutigen Pfarrhaus. Nach dem Abtragen einer neuzeitlichen Auffüllung wurden die Pfeilerfundamente sichtbar (Befund 32 und 41). Sie bestanden aus unterschiedlichen Gesteinsarten wie Anhydrit, Dolomit und Sandstein und hatten eine Stärke von 0,80 x 0,90 m. Die nördlichen Fundamente reichten ca. 1 m in den Boden, die der südlichen gingen bis 1,40 m in die Tiefe. Die unterschiedliche Gründungstiefe erklärt sich aus dem Geländeprofil, das von Norden nach Süden hin abfällt. Die südlichen und nördlichen Mauerfundamente bestanden aus einem zweischaligen Mauerwerk mit einer Stärke von 1,50 m. Auch hier wurden die Anhydrit-, Sand- und Dolomitsteine mit einem Gipsmörtel verbunden. Im Kirchenschiff selbst konnten zahlreiche Bestattungen freigelegt werden, die alle in Ost-West-Richtung lagen. Beigaben fanden sich in den Gräbern nur selten. Bis ins 18. Jh. wurden im Kirchenschiff noch Beerdigungen vorgenommen. Zwei freigelegte, mit Ziegelsteinen erbaute Grüfte sind in das 17./18. Jh. zu datieren. In einer Gruft war dem Toten noch ein Geldstück aus dem Jahre 1779 (1/48 Taler, Königreich Preußen, Friedrich II., 1740–1786) beigegeben. Weitere Münzen lagen in einer zweiten Gruft (Kurfürstentum Sachsen, Friedrich August III., 1763–1806 sowie ein Pfennig aus den Jahren zwischen 1772–1806). Ein besonderer Fund konnte 2,50 m östlich des Portals im Mittelschiff freigelegt werden. Die Grube erreichte eine Tiefe von 1,60 m. Auf der Grubensohle zeichnete sich ein kleiner Graben ab, in dem Holzkohlereste lagen. Die Grubenwand selbst war zum Teil stark versintert. In ihr wurden Lehmbrocken und Fragmente einer verlorenen Gussform sowie Schlacke mit Malachitkristallen geborgen, die auf Kupfer hindeuten. Die Fundstelle könnte im Zusammenhang mit einem Glockenguss aus dem Jahre 1440 stehen. Bei der Freilegung der südlichen Kirchenmauer zeigte sich, dass der Laufhorizont südlich der Mauer ca. 1,30 m tiefer lag als der Fußboden der Kirche. Dieser Laufhorizont war der Boden des nördlichen Klosterkreuzgangs, von dem noch im Querhaus an der Westseite die Türöffnung zu erkennen ist. Der Laufhorizont endete an der Westwand des Kirchenschiffes. Eine Sondage zwischen dem heutigen Pfarrhaus und der Frauenberger Stiege erbrachte keine Belege für einen westlichen Kreuzgang des Zisterzienserinnenklosters. Wahrscheinlich besaß das Kloster nur einen nördlichen Kreuzgang, wie es z. B. auch in Ziesar bei Magdeburg, Lkr. Potsdam-Mittelmark, der Fall ist. Bei einem weiteren Suchschnitt an der Martinstreppe im Scheitelpunkt der Apsis wurde ein Fundament freigelegt, das nach Osten verlief und an der östlichen Treppenwange weiter nach Süden ging. Die Mauerstärke an der Apsis betrug 1,50 m, der nach Süden verlaufende Teil war noch 0,80 m stark. Bei diesen Mauerzügen handelte es sich wahrscheinlich um die östliche Klostermauer mit einer Pforte nach Norden. Unter dem Mauerzug an der Apsis lagen Scherben von mehreren Gefäßen aus der späten Bronze- bis frühen Eisenzeit. Aus der gleichen Zeit stammen auch Pflugspuren, die im Kirchenschiff im Bereich einer 2,00 x 2,50 m großen Sondagefläche freigelegt wurden. Die Pflugspuren verliefen in Ost-West-Richtung und waren z. T. noch 1–2 cm in den Boden eingetieft. Zusammenfassend kann als Ergebnis der Ausgrabung festgehalten werden, dass ein Vorgängerbau der Kirche von 1220 im Langhaus nicht festgestellt werden konnte. Damit wurde die Theorie von einigen Historikern bestätigt, dass der Name „Neuwerk“ ein Hinweis auf den ersten Kirchenbau darstellt. Die Keramikfunde am Westportal, an der Apsis bzw. im Kirchenschiff (Scherben und Pflugspuren) untermauern die Funde und Befunde der Ausgrabung in der Halleschen Straße, bei der eine vorgeschichtliche Besiedlung in der späten Bronzezeit und vorrömischen Eisenzeit dokumentiert werden konnte (Grönke 1994; 1995).

1 Vgl. den unveröffentlichten Grabungsbericht von J. Wüstemann 2002: Grabungsbericht, Grabung Frauenberg. Nordhausen. Archiv TLDA, Weimar.

Quelle: Hans-Jürgen Grönke: Kirchenarchäologie in Nordhausen, Lkr. Nordhausen; der Beitrag wurde zwischenzeitlich unter dem Titel „Spurensuche in zerstörten Kirchen Nordhausens“ in der Harz-Zeitschrift 62, 2010, 206–223 veröffentlicht.

Abbildungsnachweise: Abb. 1: Sammlung Grönke; Abb. 2: Zeichnung: K. Bielefeld, TLDA Weimar, nach Vorlage von J. Wüstemann; Abb. 3: Stadtarchiv Nordhausen

Literatur:
Grönke, H.-J. 1994: Ein ur- und frühgeschichtlicher Fundplatz auf dem Gebiet des „fränkischen Reichshofes“ in Nordhausen. In: Beiträge zur Heimatkunde aus Stadt und Kreis Nordhausen 19, 3–10. Nordhausen.
Grönke, H.-J. 1995: Ur- und frühgeschichtliche Funde vom Gelände des „fränkischen Reichshofes“ in Nordhausen. In: Harz-Zeitschrift 46/47, 129–134. Berlin.
Kuhlbrodt, P. 2008: Die Zisterzienserklöster in Hessen und Thüringen, Nordhausen, Bischofferode, St. Nikolausberg/Altendorfer Kloster (Beatae Mariae Virginis in valle), Frauenbergkloster Neuwerk (Beatae Mariae Virginis in monte). Urkundenbestand Stadtarchiv Nordhausen, II A1064. Nordhausen.

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