2. Südharz-Symposium 11.-13. September 1998 in Walkenried

 
Neugestaltung der Rhumequelle und ihrer unmittelbaren Umgebung unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher und touristischer Aspekte

- ein Projekt der Heinz Sielmann Stiftung

Vortrag von Dr. Stefan Büchner
 

1. Einleitung
Die Rhumequelle befindet sich am südlichen Harzrand in unmittelbarer Nähe des Ortes Rhumspringe; der Ortsname weist auf die Quelle hin. Von außen besehen zeigt sich dem Besucher zunächst lediglich ein rundlicher Teich von etwa 750 m2 Wasserfläche. Auf den ersten Blick würde hier wohl niemand die größte Quelle Niedersachsens und eine der größten Quellen Europas vermuten. Und doch gehört die Rhumequelle mit einer durchschnittlichen Schüttung von etwa 2.500 Litern Wasser pro Sekunde (= 216 Mio. l täglich) zu den wasserreichsten Karstquellen Europas. Diese Menge reicht aus, um jeden Bundesbürger täglich mit 3 Litern Wasser zu versorgen. In Spitzenzeiten sprudeln sogar etwa 5.000 Liter pro Sekunde aus dem porösen Untergrund. Dazu kommen täglich etwa 110 t Gips und 50 t Kalk.
Neben dem Hauptquellschacht speisen zahlreiche Nebenquellen den hier entstehenden Fluß Rhume. Das Wasser strömt aus zwei größeren Spalten in den Quelltopf. Nachdem man lange angenommen hatte, die Tiefe der Quelle betrage bis zu 40 m, erwiesen genauere Untersuchungen seit 1966, daß der Quelltopf lediglich etwa 9 m tief ist (bzw. war - darauf wird im folgenden noch eingegangen).
Der von Quell und Bruchwald umgebene Quellbereich bietet mit den vielen Stellen, an denen das Wasser deutlich sichtbar aus der Tiefe aufsteigt, und dem hellblauen Wasser des Hauptquelltopfes ein einmaliges Naturschauspiel. Um dieses den zahlreichen Besuchern zu erschließen, führt rings um die Quelle ein bereits vor mehreren Jahrzehnten angelegter Wanderweg.
Neben dieser Bedeutung als touristische Attraktion ist die Rhumequelle auch für den Arten und Biotopschutz von besonderer Wichtigkeit: Die ganzjährig gleichmäßig niedrige Wassertemperatur und die relative Nährstoffarmut bedingen das Vorkommen einer spezifischen Quellflora und -fauna mit Vorkommen verschiedener, gefährdeter Arten. Neben bestimmten, auf derartige Quellverhältnisse angewiesenen Kleintieren kommen hier z. B. der Eisvogel und die Wasseramsel vor.
Vor allem aufgrund ihrer geowissenschaftlichen Bedeutung und der erwähnten Vorkommen seltener Arten wurde die Rhumequelle bereits 1938 als Naturdenkmal und 1990 als Naturschutzgebiet (Teil des NSG Rhumeaue / Ellerniederung / Gillersheimer Bachtal) ausgewiesen.

2. Hydrogeologische Grundlagen
Das Wasser der Rhumequelle besitzt ganzjährig eine gleichmäßige Temperatur von etwa 8° bis 9° Celsius. Bereits wenige Meter hinter dem Quelltopf ist die Rhume fast 8 Meter breit. Wie kann man die ungewöhnlich hohe Quellschüttung erklären?
Den Untergrund des Gebietes hier am südwestlichen Harzrand bilden vorwiegend Gesteine des Dolomit und Zechstein. Unter einer unterschiedlich dicken Schicht aus Buntsandstein, teilweise von Schottern überlagert, liegen Salze, Gips und Kalkgestein.
In wasserführenden Schichten wurden diese im Laufe der Erdgeschichte relativ leicht ausgewaschen. Es entstanden Spalten, Klüfte und große unterirdische Hohlräume, in die Niederschlagswasser einsickerte und sie auffüllte. Dort, wo die geologischen Verhältnisse es zulassen, tritt dieses versickerte, oft über größere Entfernungen fließende Wasser in einer Quelle hervor.
Die Rhumequelle liegt in einem tiefgelegenen Talkessel am Nordrand des Ortes Rhumspringe. Bereits 1913 hat man durch Färbungsversuche nachgewiesen, daß das Wasser der Flüsse Oder und Sieber, die 6 bis 9 km entfernt liegen, nach 30 Stunden in der Rhumequelle wieder zutage tritt. Bei Hochwasser in der Oder und Sieber gelangen große Wassermengen in die unterirdischen Hohlräume und bewirken einen Anstieg des gespeicherten Wassers. Durch den zunehmenden Druck nimmt die Ergiebigkeit der Rhumequelle sofort zu, lange bevor das versickerte Wasser in der Quelle angelangt ist. Läßt das Hochwasser in den Flüssen nach, versickert auch weniger Wasser. Trotzdem schüttet die Quelle weiterhin große Wassermengen. Das liegt daran, daß das versickerte Wasser vom Harzrand in den weitverzweigten unterirdischen Schichten mehrere Tage benötigt, um die Quelle zu erreichen. Erst dann wird der Ausfluß schwächer. Eine weitere Besonderheit ist festzustellen. Wenn die Regenfälle länger anhalten und die Harzrandflüsse braungefärbtes Hochwasser führen, tritt zunächst in der Rhumequelle klares, ungetrübtes Wasser aus. Erst zwei Tage später zeigt das Quellwasser eine leicht bräunliche Färbung.

3. Konflikte und Handlungsbedarf
Im Bereich der Quelle sowie dem näheren Umfeld existiert eine Vielzahl verschiedenster Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes sowie des Landschaftsbildes. Der westlich am Quelltopf verlaufende Uferweg stellt dabei die gravierendste Beeinträchtigung des Naturhaushaltes dar:
Im Zuge von Anfang 1987 durchgeführten Tauchgängen wurde festgestellt, daß im Laufe der Jahre in größerem Umfang Fremdmaterialien in den Hauptquelltopf gelangt sind. Hierbei handelt es sich zum überwiegenden Teil um alte Faschinen und Holzbefestigungen, Schlacke und sonstiges Geröll, die ehemals für den westlich angrenzenden Uferweg bzw. zur dortigen Ufersicherung Verwendung fanden. Darüber hinaus wurde durch die getätigten Aufschüttungen die Uferlinie immer mehr in den Hauptquelltopf verlagert. Dieser aufgeschüttete Uferbereich zeigt sich gegenüber dem natürlichen Uferzustand deutlich labiler, so daß künftig weitere Böschungsrutschungen zu erwarten sind. Die abgerutschten Geröllmassen verringern das Volumen des Quelltrichters erheblich. So reduzierte sich die Tiefe des Hauptquelltopfes um mindestens 4,5 m.
Insgesamt sind durch den Wegebau bzw. die Wegeunterhaltung (einschließlich der Maßnahmen aufgrund der gegebenen Verkehrssicherungspflicht), durch Uferbefestigungen sowie durch den z. T. hohen Besucherdruck die Eigenart sowie der Grad der Natürlichkeit des gesamten Quellbereiches beeinträchtigt bzw. herabgesetzt worden.
Darüber hinaus beeinträchtigt der Weg die Vernetzungsbeziehungen zwischen der Quelle und dem westlich angrenzenden Bruchwald. Die z. T. hohen Besucherzahlen schädigen durch Beunruhigung und Tritt die Fauna und Flora. Schließlich zerstörte ein Sturm im Sommer 1997 noch große Teile des nordwestlich angrenzenden Waldes.
Abb. 1 zeigt noch einmal zusammenfassend die unterschiedlichen Konfliktpunkte und zeigt bereits Möglichkeiten zu ihrer Lösung bzw. zur Verbesserung der Situation auf.
So besteht also in zweifacher Hinsicht Handlungsbedarf: Zum einen sollen die Lebensbedingungen für Fauna und Flora optimiert werden, zum anderen ist der Quelltrichter wieder in seinen natürlichen Zustand zu versetzen. Gleichzeitig soll aber die touristische Attraktivität nicht eingeschränkt werden. Unter diesen Vorgaben wird mit finanzieller Unterstützung der Heinz Sielmann Stiftung seit August 1997 ein Gestaltungskonzept für die Rhumequelle sowie das zugehörige Umfeld erarbeitet.
Es sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, daß ähnliche Ideen zur Renaturierung der Rhumequelle bereits seit fast 10 Jahren von den betroffenen Naturschutzbehörden und einem beauftragten Planungsbüro erarbeitet wurden. Die Umsetzung scheiterte bisher jedoch immer an den Interessenskonflikten zwischen der touristischen Nutzung der Quellregion und ihrer Bedeutung für den Naturschutz. Es bedurfte eines erneuten Anlaufes, der maßgeblich durch die Heinz Sielmann Stiftung und die Fa. Quelle initiiert wurde, um nun das Projekt tatsächlich durchführen zu können.
Kernpunkt dieses erneuten Ansatzes war die Erkenntnis, daß ein Konzept nur dann Erfolg haben würde, wenn alle betroffenen Einrichtungen und Interessensverbände an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Im einzelnen wurden daher folgende Behörden und Institutionen einbezogen:

  • Arbeitsgemeinschaft Rhumequelle e. V.
  • Bezirksregierung Braunschweig - Obere Naturschutzbehörde
  • Eichsfelder Energie- und Wasserversorgung
  • Forstamt Radolfshausen
  • Forstamt Reinhausen
  • Gemeinde Rhumspringe
  • Harzer Papierfabrik
  • Samtgemeinde Gieboldehausen
  • Stadt Duderstadt
  • Stadt Herzberg
  • Umweltbehörde Landkreis Osterode am Harz
  • Untere Naturschutzbehörde Landkreis Göttingen
  • Untere Wasserbehörde Landkreis Göttingen
4. Das Sanierungskonzept
Im einzelnen sind im näheren Quellbereich folgende Maßnahmen vorgesehen:
  • Sanierung des Hauptquelltopfes durch
    • Reinigung der Quelle von Fremdmaterialien: Aus dem Unterwasserbereich sollen die Fremdmaterialien (Gesteinsschutt, alte Faschinen, Pfosten etc.) entfernt werden, so daß der Quelltrichter seine ursprüngliche Tiefe von knapp 10 m erhält.
    • Rückbau des vorhandenen Uferweges einschließlich der Auffüllungen im Uferbereich;
    • Abflachung der Unterwasserböschung,
    • Anlage einer flachen Verwallung zwischen dem Krebsgraben verlagert. Um bei Hochwasser des Krebsgrabens ein Überlaufen in den Hauptquelltopf zu vermeiden, soll westlich der neuen Uferlinie eine flache Verwallung modelliert werden.
  • Verlegung des ehemaligen Uferweges und Aufständerung des Weges im Bereich von Naßstellen: Der vorhandene Wanderweg entlang der westlichen Uferlinie soll zugunsten eines naturnahen Uferbereiches rückgebaut werden. Um Besuchern die Möglichkeit der Umwanderung der Quelle auch zukünftig zu ermöglichen, soll ein neuer uferferner Weg angelegt werden. Der Weg soll in feuchten, an moorigen Bereichen in einer Holzkonstruktion mit beidseitigem Geländer ausgeführt werden. In weniger feuchten Bereichen wird er mit einer wassergebundenen Mineraldecke befestigt. Abschnittsweise kommt voraussichtlich auch eine Knüppeldammkonstruktion zum Einsatz.
  • Anlage von 2 Aussichtsplattformen mit Ruhebänken und Infotafeln im nördlichen und südlichen Uferbereich des Hauptquelltopfes: Zur Besucherlenkung und Steigerung der touristischen Attraktivität ist im Norden der Quelle die Anlage einer ca. 75 m2 großen Holzbohlen-Aussichtsplattform vorgesehen. Aufgrund der Bodenverhältnisse und zum Schutz der Uferböschung soll die Plattform quellseitig auf Schwimmpontons gelagert werden.
  • Im Süden des Quelltopfes ist ebenfalls die Anlage einer ca. 70 m2 umfassenden Aussichtsplattform vorgesehen. Mit Ausnahme der ufernahen Bereiche wird diese in Form einer wassergebundenen Decke angelegt. Zum Schutz des Ufers wird der quellseitige Bereich mit einer Holzkonstruktion gesichert.
  • Anlage von Geländern, die gleichzeitig dem Schutz der Besucher (Verkehrssicherungspflicht) und dem Schutz besonders sensibler Bereiche, wie der Halbinsel oder des Quellwaldes, dienen.
  • Weitere Maßnahmen
    • Gliederung des Parkplatzes durch Bepflanzung, Anlage von Fußwegen und Trennung in PKW- und Busbereich.
    • "Verstecken" der Wertstoffcontainer.
    • Umsetzung des Bushaltestellen-Häuschens mit besserer Abschirmung der Toilettenanlage.
    • Regionaltypische Neugestaltung des Kiosks.
    • Einrichtung eines Informationszentrums im Parkplatzbereich.

Detaillierte Darstellung der im Parkplatzbereich vorgesehenen Maßnahmen.


5. Zusammenfassung
Die Rhumequelle, mit einer durchschnittlichen Schüttung von mehr als 200 Millionen Litern Wasser pro Tag eine der wasserreichsten Karstquellen Europas, bietet den zahlreichen Besuchern ein einmaliges Naturschauspiel und stellt einen wertvollen Lebensraum für eine quellspezifische Flora und Fauna dar. Insbesondere Wasser aus den Flüssen Oder und Sieber speist nach einer mehrere Kilometer langen, unterirdischen Passage die Quellschächte der Rhumequelle. Seit 1990 ist die Rhumequelle Teil des Naturschutzgebietes Rhumeaue / Ellerniederung / Gillersheimer Bachtal.
Insbesondere die intensive touristische Nutzung der unmittelbaren Umgebung der Quellregion bedingt erhebliche Beeinträchtigungen durch Trittschäden, Beunruhigung, Zerschneidungseffekte und v. a. die teilweise Verfüllung des ursprünglich fast 10 m tiefen Hauptquelltopfes durch alte Wegbefestigungen, Faschinen, Schlacken und andere Materialien, so daß z. Zt. lediglich noch eine Tiefe von etwa 4,5 m erreicht wird und die westliche Quellböschung einen labilen Zustand aufweist.
Auf Anregung und mit finanzieller Unterstützung der Heinz Sielmann Stiftung soll nun ein Sanierungskonzept umgesetzt werden, das unter Beteiligung verschiedenster betroffener Behörden und Institutionen u. a. folgende Maßnahmen vorsieht:
  • Sanierung des Hauptquelltopfes durch Reinigung der Quelle von Fremdmaterialien, Rückbau des vorhandenen Uferweges einschließlich der Auffüllungen im Uferbereich, Abflachung der Unterwasserböschung und Anlage einer flachen Verwallung zwischen dem Krebsgraben und der neuen Uferlinie.
  • Verlegung des ehemaligen Uferweges und Aufständerung des Weges im Bereich von Naßstellen.
  • Anlage von 2 Aussichtsplattformen mit Ruhebänken und Infotafeln im nördlichen und südlichen Uferbereich des Hauptquelltopfes.
  • Anlage von Geländern, die gleichzeitig dem Schutz der Besucher (Verkehrssicherungspflicht) und dem Schutz besonders sensibler Bereiche, wie der Halbinsel oder des Quellwaldes, dienen.
Weitere Maßnahmen wie z. B. eine Gliederung des Parkplatzes durch Bepflanzung, Anlage von Fußwegen und Trennung in PKW- und Busbereich, das "Verstecken" der Wertstoffcontainer, ein Umsetzen des Bushaltestellen-Häuschens mit besserer Abschirmung der Toilettenanlage und eine regionaltypische Neugestaltung des Kiosks sowie die Anlage eines Informationszentrums runden die Sanierungsmaßnahmen ab.

[ Rhumequelle ]
 

Anschrift des Verfassers:

Dr. Stefan Büchner
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